Stadtpfarrkirche "St. Johannes der Täufer" zu Rain

Festschrift zum Abschluss der Renovierung am 29. September 2013:
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Unsere Stadtpfarrei hat ihre Ursprünge im ausgehenden 13. Jahrhundert, wurde also bald nach der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt Rain (4. Juli 1257) gegründet. Drei unserer Kirchen gehen im Ursprung auf die Gotik zurück, die Gotteshäuser gehören zu den bedeutendsten Kulturdenkmalen der Stadt Rain.

Die Stadtpfarrkirche ist ein Bau des späten 14. und des 15. Jahrhundert. Eine Inschrift am Chorbogen erinnert an die Einweihung im Jahr 1480. Der Kirchturm wurde 1558 fertig gestellt. Die letzten bedeutenden Innenrenovierungen erfolgten 1970/74 und 1995.

1314 wird die Kirche in Rain erstmals erwähnt. Die Äbtissin von Niederschönenfeld war Patronatsherrin, hatte also das Recht, den Pfarrer vorzuschlagen. 1322 wird die Kirche als Pfarrkirche und 1344 der Kirchhof erwähnt. 1383 erscheint erstmal der Name "St. Johannes Gotteshaus". Zwischen 1250 und 1300 entsteht das Untergeschoß des Turmes (Gruft). Es ist wohl ein Teil der ersten Kirche gewesen. Die Wände dieses massiven Baues erreichen eine Dicke von 1,80 m, deshalb hält auch die Turmkapelle die Belastung des 66 m hohen Turmes aus, obwohl das Fundament nur bis zu 1,50 m in den Boden geht.


Blick von Ostsüdost, im Vordergrund die
Allerheiligenkapelle.

Der Kirchturm wurde im Jahr 2000 renoviert und das Kupfer des Helmes erneuert.
Ungewöhnlicher Blick auf die Stadtpfarrkirche - aus 25 Metern Höhe, Standort am Schloss.

Zwischen 1380 und 1480 (in der Gotik) entsteht der mächtige dreischiffige Ziegelsteinbau mit niederen Seitenschiffen und erhöhtem Mittelschiff. Die Kirche erreicht eine Länge von 45 m, das Langhaus ist 20 m breit und die Höhe des Mittelschiffes beträgt 15 m. Der Schlussstein für das Netz-Rippengewölbe des Mittelschiffes dürfte um 1480 gesetzt worden sein. Beachten Sie auch die Engel am großen Lüftungsloch des Hauptschiffes. Die Jahreszahl 1480 mit dem bayerischen Herzogswappen und dem Stadtwappen markiert die bauliche Vollendung. Der Name des Baumeisters ist nicht bekannt.

Im 16. und 17. Jahrhundert wird auch die neue Ausstattungsmode, der Barock, in Rain angewandt. Die gotischen Fresken werden übermalt; an der Rückwand wird die Jahreszahl 1616 angebracht. Ein neuer barocker Hochaltar mit der Taufe Christi tritt an die Stelle des gotischen. Das Bild des Hochaltars, die Taufe Christi, ist heute noch an der Stirnwand des rechten Seitenschiffes. Barock werden auch der Chor und das Kirchengestühl (die Stuhlwangen von 1726). Um die Kirche herum war bis zum Jahr 1803 der Friedhof. Die kleine Kapelle auf der rechten Außenseite der Kirche birgt im Kellergeschoß noch einen Karner (Gebeinraum). Leider ist zur Zeit dieses besonders schöne Kirchlein nicht zugänglich. Wertvolle Epitaphien (Grabplatten) sind an den Seitenwänden der Kirche angebracht worden. Zwischen 1860 und 1873 musste der Barock der neuen Mode weichen, der Neugotik. Damals wurde auch der Turm auf die jetzige Höhe hochgezogen. Zwischen 1920 und 1930 wurden die Fresken wieder freigelegt. Ende April 1945 beschädigten Artilleriebeschuss und Fliegerangriffe die Kirche sehr stark. Die letzte große Renovierung fand von 1972 bis 1974 statt. Das große Kreuz und die "Roaner Madonna" wurden in der Seitenkapelle angebracht; das große Kreuz über dem Altar stammt von der Filialkirche Unterpeiching. 1974 wird die neuzeitliche Renovierung abgeschlossen, die fünf neugotischen Altäre werden entfernt, die beiden Holzemporen durch eine massive Betonempore ersetzt, an der Stelle des Hochaltars wird die Orgel (von Sandmeir, Steinheim) aufgestellt. 1995 wurde die betongraue Empore mit dem Weiß der Kirchenwände gestrichen und erhielt einen Textilschmuck: Johannes der Täufer – Bereitet dem Herrn den Weg! Die großen Leuchter sind auch 1995 installiert worden und erhellen den ganzen Raum. An der Seite neben dem Sakramentshäuschen leuchten nun Teile der Chorfenster aus dem vorigen Jahrhundert; sie mussten bei der 70er Renovierung den neuen Glasfenstern weichen.

Die neuen Glasfenster versinnbildlichen im Blau das unverdiente Gnadengeschenk des Wortes Gottes, im Rot die pfingstliche Begeisterung und im Gold das Leuchten der kommenden Herrlichkeit (Bilder aus dem Leben Jesu). Das große Westfenster gibt eine Ahnung von der herrlichen Stadt der Apokalypse, dem himmlischen Jerusalem.

Ausmalung: Die Erstausmalung erfolgte um 1480. Aus dieser Zeit stammen noch die beiden Bilder links neben der Orgel (Die Apostelkreuze, Moses im Heerlager, Mannawunder; der weiße Bereich zwischen den Bildern deutet darauf hin, dass hier einmal ein Sakramentshäuschen stand). Die Fabelwesen im Gewölbe des Chorraumes sind nicht definierbar; es könnte sich um eine Analogie zu romanischen Bauten handeln, bei denen Fabelwesen gestaltet wurden, um diese vom Gebäude fernzuhalten.


Blick vom Volksaltar in die dreischiffige gotische Stadtpfarrkirche "St. Johannes der Täufer".

1616 erfolgte eine durchgreifende Renovierung (lateinische Beschriftung an der Westwand). Die meisten Fresken stammen aus dieser Zeit.

Nochmals zurück zu 1480: Im Chorbogen ist die Jahreszahl 1480 angebracht, zwei Engel tragen das herzoglich-bayerische Löwenwappen, darunter ist zweimal das Rainer Stadtwappen zu sehen. Auf der Rückseite das Schweißtuch der Veronika. Über dem Eingang zur Sakristei befindet sich eine gut erhaltene Darstellung der Gottesmutter und des Täufers Johannes.

Wenden wir uns noch einmal dem Langhaus zu: Die Kalksteinrippen des Gewölbes waren ursprünglich nicht gefasst, jedoch von rot-braunen, blauen und hellroten Bändern begleitet. Die Schlusssteine sind farbig und mit figürlichen Darstellungen bemalt: der Engelkranz mit Musikinstrumenten und Leidenswerkzeugen umschwirrt das große Lüftungsloch in der Decke des Mittelschiffes.

Rechtes Seitenschiff: An der Südwand ist ein gemalter Altarschrein mit Christus, dem gnädigen Richter, der Gottesmutter, einem Engel und vier Heiligen; eine davon ist die Heilige Afra (Feuer unter ihren Füßen) und dann wahrscheinlich auch der Heilige Ulrich. An der Westwand ist die Vertreibung der Händler aus dem Tempel dargestellt. Über dem südlichen Seiteneingang mahnt der Heilige Christopherus die Gläubigen beim Verlassen des Gotteshauses – Christusträger (= Christopherus) im Alltag zu sein. Wenn Sie Fischliebhaber sind, können Sie deutlich sehen, welche Fische damals (17. Jahrhundert) im Lech angetroffen wurden!


Fresko über dem Südportal: hl. Christophorus, links unten die hl. Wilgefortis (hl. Kümmernis).

Gestatten Sie noch einen Hinweis auf das Bild links unten beim Heiligen Christopherus. Es stellt eine gekreuzigte Person dar. Diese Darstellung der Heiligen Kümmernis ist in vielen gotischen Kathedralen beliebt. Das Bild ist eine Nachmalung des "Il volto santo" (das heilige Antlitz), das vor allem in Italien stark verbreitet ist. Bei genauem Hinsehen erkennen Sie, dass die gekreuzigte Person eine Frau ist. Sie hat nur einen Schuh, der unbeschuhte Fuß steht auf dem Kelch. Hier haben wir eine mittelalterliche Darstellung des modernen Problems des Feminismus. Immer schon haben die Frauen – besonders die Mütter – den Glauben durch die Zeiten weitergegeben, nicht die Theologen und Gelehrten. Die Legende zur Heiligen Kümmernis: Sie war eine heidnische Fürstentochter und wurde Christin. Der Vater befahl ihr, von diesem Glauben abzulassen. Als dies nicht fruchtete, befahl er, die Tochter zu kreuzigen. Weil sie Fürstentochter war, behielt sie ihre goldenen Schuhe an. Ein Landstreicher kam an der Kreuzigungsstelle vorbei, die Kümmernis ließ einen goldenen Schuh fallen, der Landstreicher nahm ihn und wollte ihn im Gasthaus vertrinken. Dort wurde er beschuldigt, er hätte den Schuh gestohlen. Man ging zur Kreuzigungsstätte hinaus und als Zeichen dafür, dass die Heilige Kümmernis den Schuh geschenkt hatte, ließ sie auch den zweiten Schuh fallen. – Eine nette Legende, aber eine noch viel tiefere theologische Aussage, die darin eingekleidet ist, nämlich: die Frauen sind die Träger und Weitergeber des Glaubens!

Und weil wir gerade bei ausdrucksstarken Bildern sind, schauen wir uns das "Jüngste Gericht" auf der gegenüberliegenden Ausgangsseite an. Sehr drastisch wird dargestellt, dass die Auferstehung der Guten Herrlichkeit bedeutet, die Bösen aber durch Satan und seine Helfer gequält, gefoltert und ewiger Pein ausgeliefert sind. Ganz "lieb" ist dargestellt, wie in der Mitte des Bildes ein Teufel die arme Seele im Schubkarren in die Hölle fährt.


Fresko der "Roaner Teufel" an der Westwand der Stadtpfarrkirche: auf langen Papierrollen
notieren sie die Sünden der geschwätzigen Christen.

Und schauen Sie bitte auch noch auf dieser Seite zum Bild über dem Treppenaufgang: Die "Roaner Teufel": Hinter drei Frauen stehen sie und schreiben auf Papierrollen all das auf, was die Frauen Böses über andere sagen. Links daneben stehen Männer beieinander; es sollen die sein, die auf der Empore schwätzen; da brauchen die Teufel wesentlich längere Papierrollen um festzuhalten, was hier über andere beim Gottesdienst gesprochen wird!

An der Seite und an den Säulen sind Bilder von den zwölf Aposteln und von den Heiligen. An der letzten Säule links vorne der Heilige Nikolaus und an der Säule beim Ausgang der Heilige Florian.

Unsere Kirche ist ein Zeugnis des Glaubens, aber auch des Reichtums der Rainer, die sich im ausgehenden 15. Jahrhundert eine so große Kirche leisteten und im Laufe der Jahrhunderte immer wieder ausschmückten und auf den neuesten Stand brachten. Unsere Gemeinde zählt heute ca. 5000 Katholiken. Die Beteiligung an Gottesdiensten und kirchlichen Festen ist sehr gut. Die Rainer Pfarrer haben – wenn sie es verstehen – hier bei uns keine finanziellen Probleme.

Der Heilige Johannes der Täufer, der Schutzpatron unserer Kirche, wird sicher auch in Zukunft beim Herrgott ein gutes Wort für seine "Roaner Schützlinge" einlegen.

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Ostern 2001 in der Stadtpfarrkirche.


Blick auf die Stadtpfarrkirche "St. Johannes der Täufer".
(Bild bereit gestellt von www.digitalluftbilder.de).

Text: Stadtpfarrer Johann Menzinger; Bilder und Internet-Gestaltung: Adalbert Riehl.

Im Jahr 2000 war unser Kirchturm für Sanierungsarbeiten eingerüstet. Auf zwei Fotogalerien der
Stadt Rain können Sie sich unsere Stadt von der Kirchturmspitze betrachten:
Galerie 1         Galerie 2

25.09.2013 / AR